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KI Gebete

Josua Hunziker Josua Hunziker

Vom verzweifelten Versuch, meine gelegentlichen Gebetsblockaden zu überwinden.

Künstliche Intelligenz - kurz "KI" - ist in aller Munde. Sowohl in der Arbeitswelt als auch in unserer alltäglichen Umgebung hält sie Einzug. KI schreibt Bewerbungsschreiben, beantwortet Telefone, schreibt Drehbücher und produziert Bilder, Videos und Musik. Vor zwei Jahren noch kaum vorstellbar, heute bereits vielerorts Alltag.

Persönlich halte ich "Künstliche Intelligenz" zwar für einen schlecht gewählten Begriff. "Statistische Nachahm-Programme" wäre wohl treffender. Aber schwierig zu vermarkten. Und zugegebenermassen sind die Produkte der aktuellen KI-Tools oft von verblüffend guter Qualität. Sie zwingen uns, unser Verständnis der menschlichen Kreativität zu überdenken. Sicher, wir sind mitten in einem Hype. Aber verschwinden wird die Technologie nicht. KI ist gekommen um zu bleiben.

Könnte KI denn auch für mich beten? Oft fühle ich mich beim Gebet leer und blockiert. Wie wenn ich einen Artikel schreiben sollte, mir aber die zündende Idee für den Anfang oder den Aufbau fehlt. Ich sitze da. Möchte die freigehaltene Zeit gut nutzen. Doch die Worte stocken. Die Gedanken kreisen.

Ich frag' mal ChatGPT:

ChatGPT, schreibe mir ein Gebet zum Gott der Bibel. Drücke ihm darin meine Liebe und Dankbarkeit aus. Benutze einfache Sprache: Klar, direkt und vertrauensvoll, wie mit einem Freund.

Die Antwort kommt prompt:

Lieber Gott,

Danke für jeden Atemzug und jeden Sonnenstrahl, der mir deine Liebe zeigt. Ich bin zutiefst dankbar für all die Segnungen, die du mir schenkst. Du kennst mein Herz und meine Gedanken, und trotz meiner Fehler und Schwächen liebst du mich bedingungslos. Ich bete zu dir, weil du mein Freund bist, der mich niemals im Stich lässt. Bitte steh mir bei und führe mich auf deinen Wegen. Lass mich deine Liebe in die Welt tragen und anderen Menschen Hoffnung und Freude schenken.

Amen.

Ok, das ging schnell. Und ehrlich gesagt ist das Gebet gar nicht so übel. Ich murmle es vor mich hin. Hm. Probiere es ein zweites Mal, mit mehr Innbrunst. Irgendwie bleibt's leer. Ich finde den Ton nicht. Warum nicht? Ich stimme den Worten voll und ganz zu. Ok, ich bin nicht so der Sonnenstrahlen-Metapher Typ und bete auch nicht nur deshalb zu Gott, weil er mich nicht im Stich lässt. Davon mal abgesehen: Der Inhalt passt eigentlich. Aber?

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Die Seele des Gebets

Vor kurzem wurden wir in einer Predigt ermutigt, in unseren Gebetszeiten auch mit vorgegebenen Gebeten zu arbeiten. Zum Beispiel mit den Psalmen. Oder Gebeten aus Gebetsbüchern. Nicht immer finde ich mich dort wieder. Und doch gab und gibt es immer wieder Momente, wo mich das Beten eines aufgeschriebenen Gebetes von jemand ganz anderem zutiefst berührte. Warum klappt's denn dort und mit ChatGPT nicht?

Was mich an einem Gebet eines echten Menschen berührt, ist wohl mindestens so sehr der Mensch hinter dem Gebet wie die Worte des Gebetes selbst. Die Kraft und Schönheit eines Gebets liegen im Glauben, aus dem es entspringt. Lese ich Davids Psalmen, so lese ich sie im Kontext seiner Lebensgeschichte. Am meisten berühren mich Gebete von Menschen, deren Lebensgeschichte ich kenne. Dort spüre ich etwas von der Freude, dem Leid, dem unfassbaren Vertrauen in der Not oder der hingegebenen Liebe zu Gott, die sich auch in einem hingegebenen Leben zu den Menschen ausdrückt. Ein gutes Gebet ist vielleicht sprachlich nicht geschliffen, aber Ausdruck eines Lebens, einer Seele, eines Glaubens der mit dem lebendigen Gott in Berührung gekommen ist.

Während ich also das KI-Gebet wieder zur Seite lege und versuche, treffende Worte zusammenzukratzen die meinem Herzen Ausdruck geben, kommt mir die Stelle aus Römer 8 in den Sinn:

In gleicher Weise aber nimmt sich der Geist unserer Schwachheit an; denn wir wissen nicht, was wir eigentlich beten sollen; der Geist selber jedoch tritt für uns ein mit wortlosen Seufzern. Römer 8,26

Wortlose Seufzer. Wie oft bringe ich frühmorgens nicht viel mehr zu Stande. Ich bin dankbar, dass auch dies mein Gebet sein darf; der Heilige Geist mir in meiner Schwachheit zu Hilfe kommt. Definitiv besser als ein von KI zusammengekrümeltes, letztlich doch seelenloses Gebet.

Meine Gebetsblockade mit ChatGPT überwinden? Wohl nicht die beste Idee. Da schweige ich lieber und lasse meine wortlosen Seufzer für die Ratlosigkeit meines Herzens sprechen. Und merke erneut: Gebet ist Beziehung. Manchmal Beziehungsarbeit. Und Beziehung lässt sich nicht delegieren oder automatisieren. Tiefe Beziehung ist zeitintensiv, ineffizient und immer wieder überfordernd. Genau darin liegt auch ihr Wert und ihre Schönheit verborgen.

Ok, ChatGPT, ich frage dich dann wieder wenn ich 'ne Email schreiben muss. Aber jetzt bin ich erst mal ruhig. Und bete.

Vielleicht sogar mit Worten.


Hinweis: Der Text dieses Artikels wurde - bis auf das zitierte Gebet - noch ganz altmodisch von mir selbst und ohne KI geschrieben. :) Das Titelbild wiederum verdanke ich einer Bildgenerierungs-KI.

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