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Das grösste Geheimnis einer gelingenden Ehe

Emanuel Hunziker Emanuel Hunziker

Was ist das größte Geheimnis einer gelingenden Ehe? Gibt es wirklich etwas, das langfristigen Erfolg garantiert? Wenn ja, was bitte soll das sein?

In der Bibel, im Epheserbrief 5,33 schreibt Paulus: "Ein Mann soll seine Frau lieben... und die Frau soll ihren Mann achten."

Warum sollte ich?
Beim Wort "soll" zucken wir individualistisch geprägten Kinder der antiautoritären Konsum-, Spass- und Erlebnisgesellschaft ja schon mal zusammen und denken: "Einer mehr der meint, er müsse mir vorschreiben, wie ich leben soll... solche Moralapostel können mir definitiv gestohlen bleiben! Es soll doch jeder seine Beziehungen so leben, wie er das für richtig empfindet. Wie kann man nur so naiv sein und dem Rat eines Mannes folgen, der selber nicht einmal verheiratet war? Was bildet dieser Paulus sich überhaupt ein, mich belehren zu dürfen? Diese biblischen Ansichten sind doch längst veraltet und überholt."

Tolerant wie Globi
Wir leben in einer Zeit, in der die Bibel und die Kirche als veraltet gelten und die Selbstbestimmung jedes Einzelnen per Definition als höchstes Gut und Weg zum Glück glorifiziert wird. Selbstbestimmung finde ich gut und wichtig, versteh mich nicht falsch. Doch der Schein der absoluten Selbstbestimmung trügt. Beispielsweise die zehn Gebote der Bibel wurden nach und nach mit anderen Geboten ersetzt. Der Autor Thomas Hürlimann schrieb im Tagesanzeiger darüber:

Nichts gegen eine aufgeklärte Gesellschaft, die von der Selbstbestimmung des Subjekts ausgeht. Aber wir werden ja nicht zu Agnostikern. Wir glauben weiter. Und da diese Glaubensbereitschaft einen Inhalt haben muss, formiert sich die Gesellschaft in einer Sekte, die sich selbst überwacht und terrorisiert. Der neue Katechismus heisst:

Erstes Gebot: Du sollst den Abfall trennen!
Zweites Gebot: Du sollst dich vegan ernähren!
Drittes Gebot: Du sollst alles durchgendern!
Viertes Gebot: Du sollst so tolerant sein wie Globi im neuesten Globi-Buch!

Es geht nur noch um soziale Verhaltensweisen, nicht mehr um Transzendenz. In der Moralschwemme ist das Geheimnis abgesoffen. Wo früher das Kreuz hing, hängt heute das Rauchverbot.

Bedingungslos?
Gemäss heutigem Zeitgeist müsste Paulus also schreiben: "Ein Mann soll seine Frau lieben und eine Frau soll ihren Mann achten, es sei denn sie empfinden das anders." Folglich reden wir dann nicht mehr von bedingungsloser Lieber und bedingungslosem Respekt. Aber genau das, so scheint mir, hat Paulus gemeint mit seiner Aufforderung an die Eheleute, die eine langfristige Beziehung anstreben. "Wenn ihr eine langfristige, vitale, dynamische und leidenschaftliche Ehe bauen und kultivieren wollt, dann gibt es nur einen Weg: Liebt und respektiert euch bedingungslos!"

Photo by Seth Hays / UnsplashEine solche Formulierung gefällt uns Millenials schon etwas besser. Wir wollen ja die Hintergründe kennen und verstehen und nicht nur stur irgendwelchen Vorgaben und Befehlen folgen, deren Sinn und Zweck wir nicht nachvollziehen können. Wir nehmen Aufforderungen zum "Sollen" einfacher an und befolgen sie motivierter, wenn wir verstehen, WER das von uns fordert und WAS seine Motive dabei sind.

"Sollen" - Verbote oder befreiende Werte?
Die wohl bekanntesten "Du sollst" Worte kennen viele, wenn oft auch nur vom hören sagen: die Zehn Gebote. Oder sind es Verbote? Und hier wieder die Frage: Warum erlaubt sich dieser Gott der Bibel überhaupt, irgendwelche Ansprüche an uns Menschen zu stellen? Oder war das gar eine Schnapsidee von diesem Moses? Wenn da wirklich was dran sein soll, warum wirken diese Gebote dann so bedrückend und einengend?

Oliver Achilles schreibt dazu:

In der hebräischen Bibel wird nicht von den »Zehn Geboten«, sondern von den »Zehn Worten« (Dekalog) gesprochen. Wir sind es gewohnt, die zehn Worte als eine Sammlung von Verboten zu betrachten.

Nach einem alten Witz kommt Mose vom Berg Sinai und sagt den Israeliten: »Die gute Nachricht ist: ich konnte ihn auf zehn Gebote herunterhandeln. Die schlechte Nachricht ist: Ehebruch ist immer noch dabei.«

Doch die hebräische Formulierung des Dekalogs zeigt ein ganz anderes Bild. Hier wird nicht einfach gesagt: »Tu das nicht!« Wörtlich übersetzt steht dort: »Das wirst du nicht tun!«

Für dieses Verhalten gibt es eine Begründung - die Gebote werden von Gott nicht einfach so befohlen. Seine Einleitung ist zentral für sein Verständnis: »Ich bin dein Gott, der ich dich aus dem Land Ägypten, dem Sklavenhaus, herausgeführt habe.« (Ex 20,2 / Dtn 5,6).

Zuerst hat Israel die Erfahrung der Befreiung gemacht - dann erst kommen die Worte und Gebote des Herren. Weil Israel erfahren hat, wie Gott rettet und befreit, wird es ihm unmöglich sein, sich einem anderen Gott zuzuwenden. Diese Gottesrede ist keine Einschränkung der menschlichen Freiheit, sie dient ihrer Bewahrung.

Freiheitsanleitung für ehemalige Sklaven
Spannend, nicht? Seitdem ich verstanden habe, dass die Zehn Gebote als Anleitung zum Leben in Freiheit für ehemalige Sklaven gegeben wurden, kann ich die Forderungen besser nachvollziehe und einordnen. Wir müssen also die Geschichte Israels kennen, um Ursprung, Sinn und Zweck der Zehn Gebote zu verstehen und angemessen zu interpretieren. Diese sind übrigens keine Zusammenfassung der Bibel oder des christlichen Glaubens. Denn die laut Jesus wichtigsten Gebote der Tora - die Liebe zu Gott und die Nächstenliebe (Mt 22,36-40) - kommen darin gar nicht vor, sondern in Lev 19,18 und Dtn 6,5, hält Oliver Achilles fest.

Willst du mehr Hintergrundinformationen zu den zehn Geboten? Dann mach dich hier schlau: Die 10 Gebote in der Sprache von heute. Erfrischend und befreiend. Lass dein Leben von den besten Werten gestalten. Es ist dein Leben!


Photo by Hermes Rivera / Unsplash

Aber nun zurück zum eigentlichen Thema. Wo waren wir? Ach ja:

Warum schliesst Paulus seine Ausführungen über die Dynamik einer gesunden Ehe mit den Worten ab: "Ein Mann soll seine Frau lieben... und die Frau soll ihren Mann achten"? Warum fordert Paulus hier explizit Liebe vom Mann und Respekt von der Frau? Warum steht hier nicht einfach, Mann und Frau sollen sich gegenseitig lieben und achten? Wird uns hier ein altertümliches Rollenverständnis untergejubelt?

Genau diese Frage stellte sich auch Emerson Eggerichs, Theologe und promovierter Familientherapeut. Er war lange Jahre Pastor einer großen Gemeinde, bevor er sich ganz auf seine Arbeit als Ehetherapeut konzentrierte. In seinem Buch "Liebe und Respekt" lässt der Autor mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Beratung von Paaren sowie die Ergebnisse einer Umfrage von 7.000 Frauen und Männern einfließen. Folgende Gedanken entstammen seinem Buch.

Liebe & Respekt sind tiefste Grundbedürfnisse
Eggerichs kam zum Schluss, dass diese unterschiedliche "Soll" Aufforderung von Paulus an Mann und Frau etwas damit zu tun hat, wie Gott Mann und Frau erschuf!

  • Es ist eines der tiefsten Grundbedürfnisse der Ehefrau, dass sie sich sicher sein kann, dass ihr Ehemann sie bedingungslos liebt.
  • Es ist eines der tiefsten Grundbedürfnisse des Ehemannes, dass er sich sicher ist, dass seine Ehefrau ihn bedingungslos respektiert.

Warum fordert Paulus an dieser Stelle die Frau nicht auf, ihren Mann bedingungslos zu lieben? Warum achten?

Der Grund ist der, dass Gott das Wesen der Frau auf Liebe hin erschaffen hat. Ihre Fähigkeit zur Fürsorge, ihre Sensibilität, ihre Liebe und Leidenschaft sind Ausdruck ihres Wesens. Die Frau braucht keine Aufforderung von Gott, dass sie ihren Mann lieben soll – denn Gott hat diese Fähigkeit tief in sie hineingelegt. Und weil die Frau auf Liebe hin erschaffen wurde, ist es für sie essentiell wichtig, dass sie sich von ihrem Mann bedingungslos geliebt fühlt.

Photo by Joshua Rodriguez / Unsplash

Für die Frau ist die Liebe ihres Mannes wie Luft zum Atmen. Wenn sie sich von ihm nicht bedingungslos geliebt fühlt, kann es sein, dass sie den Mut verliert und irgendwann so frustriert ist, dass sie ihren Mann eine gewisse Ungeduld und Unfreundlichkeit spüren lässt. Dann weißt der Mann, dass sie in diesem Moment von ihm spüren muss, dass er sie bedingungslos liebt.

Für einen Mann hingegen ist es wichtig, dass er sich von seiner Frau respektiert und geachtet fühlt. Das ist die Luft, die er zum Atmen braucht. Wenn ein Mann sich nicht respektiert und geachtet fühlt, lässt seine Motivation nach, seine Worte werden härter und irgendwann schweigt er und zieht sich in seine Höhle zurück.

Männer wurden gefragt, was einfacher für sie zu ertragen sei:

  1. Einsam und ungeliebt zu sein oder
  2. keinerlei Anerkennung und Respekt zu erfahren?

74% der befragten Männer gaben an, lieber einsam und ungeliebt zu sein, als keinerlei Anerkennung und Respekt zu erhalten. Eggerichs kommt zum Schluss: Respekt ist der Schlüssel zu einem motivierten Ehemann.

Photo by Quinten de Graaf / UnsplashNun werden die einen Frauen womöglich denken: «Das ist doch nur Unreife und Stolz. Wenn er Manns genug wäre, dann könnten wir doch offen reden und die Dinge klären.» Doch solche Aussagen werden den Mann nicht verändern. Denn so wie Gott die Frau mit einem Code auf Liebe hin erschaffen hat, so hat er die Männer mit einem Code erschaffen, der auf Ehre beruht.

Wenn also die Ehe-Frau ihren Ehe-Mann beschimpft und herabwürdigt, wird er früher oder später mit harten Worten reagieren oder schweigen. Warum? Weil sich der Mann nicht respektiert fühlt. Und das wiederum macht die Frau noch wütender... warum? Weil sie sich dadurch noch ungeliebter fühlt. Sehr oft ist diese Dynamik in Aktion, wenn eine Diskussion über ein Nebenthema in einen Streit entartet. Sie fühlt sich von ihm nicht geliebt und er fühlt sich von ihr nicht respektiert.

Die Lösung? Als Ehepartner müssen wir lernen, den Herzens-Code des anderen zu entschlüsseln.
Photo by Gus Moretta / Unsplash

  • Wenn die Ehefrau sich beklagt, den Mann kritisiert, unfreundlich und ungeduldig wird und anfängt zu weinen, dann sendet sie ihm dadurch die verschlüsselte Botschaft: «Ich sehne mich nach deiner Liebe!»
  • Und wenn der Ehemann beginnt, seiner Frau Vorwürfe zu machen, harte Worte äussert oder ab einem Punkt gar nichts mehr sagt, dann sendet er ihr damit die verschlüsselte Botschaft: «Ich sehne mich nach deinem Respekt!»

Die Liebe des Mannes motiviert ihren Respekt ihm gegenüber und der Respekt der Frau motiviert seine Liebe zu ihr. Eggerichs nennt dies den Segenskreislauf der Ehe.

Liebe & Respekt als Ausdruck von Gottes Wesen
Gott hat den Mann und auch die Frau als sein Ebenbild geschaffen. Beide, Mann und Frau, wiederspiegeln eine Seite von Gottes Wesen.

  • Wie die Frau zur Liebe geschaffen ist, so ist auch Gottes Wesen durch und durch Liebe und er sehnt sich danach, dass wir Menschen ihm mit bedingungsloser Liebe begegnen.
  • Wie der Mann dafür geschaffen ist, Achtung und Respekt zu erhalten, so sehnt sich auch Gott danach, dass wir Menschen zu seiner Ehre Leben und ihm den gebührenden Respekt und die angemessene Achtung schenken.

Und darin liegt die übernatürliche Kraft für die Eheleute.
A couple sitting close together on a rooftop watching a golden sunset in Esplanada do Teleférico
Photo by Mahkeo / Unsplash

  • Indem der Ehemann, gemäss der Aufforderung von Jesus, Gott von ganzem Herzen liebt, mit ganzer Hingabe, mit all seinen Gefühlen und mit seinem ganzen Verstand, wird Gott ihn durch diese Verbindung stärken, auch seine Ehefrau in jeder Situation bedingungslos zu lieben und ihr seine Liebe spürbar zu zeigen.
  • Indem die Ehefrau, gemäss der Aufforderung von Jesus, Gott von ganzem Herzen achtet und ehrt, mit ganzer Hingabe und mit all ihren Gefühlen und mit ihrem ganzen Verstand, wird Gott sie durch diese Verbindung stärken, auch ihren Mann in jeder Situation bedingungslos zu achten und ihm ihren Respekt spürbar zu zeigen.

Ich schliesse mit einem Zitat von Timothy Keller:

Tu für deinen Ehepartner, was Gott in Jesus für dich tat, und der Rest kommt ganz von alleine.

Literatur zum Thema: 'Liebe und Respekt' von Emerson Eggerichs / 'Ehe' von Tim & Cathy Keller

Das grösste Geheimnis einer gelingenden Ehe
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