/ Weihnachten

Sie küsste das Angesicht Gottes

Ursi Gasser Ursi Gasser

Was für Gedanken gingen Maria durch den Kopf, als sie sich schwanger auf die beschwerliche Reise nach Betlehem machte? Was erwartete sie von dem Kind, das sie bald darauf zur Welt brachte? Ein Lied inspirierte mich.

Maria hatte Zeit zum Nachdenken. Die Reise war lang. Der Esel unter ihr trottete gemächlich vor sich hin. Sie liess ihren Blick über die sanfte Hügellandschaft gleiten. Die Sonne war bereits untergegangen und das kleine Dorf Bethlehem lag nicht mehr weit vor ihnen. Endlich hatten sie es geschafft! Sie musste diese weite, beschwerliche Reise auf sich nehmen, weil der Kaiser Augustus eine Volkszählung verordnet hatte. Darum suchte sie gemeinsam mit ihrem Mann dessen Heimatort auf.

Maria legte ihre Hand auf den Bauch und spürte die intensiven Bewegungen des heranwachsenden Kindes. Sie war schwanger. Bis zur Geburt waren es nur noch wenige Tage oder vielleicht eine Woche, sie wusste es nicht genau. Sie war tief in Gedanken versunken, als sie sich dem Dorf näherten. Sie spürte Ungewissheit in ihrem Herzen, Ängste. Wo würden sie übernachten? Was würden sie essen?
Doch da war auch Vorfreude auf das Baby. Neugier. Die Erinnerung an die Begegnung mit dem Engel. Niemals würde sie diesen Moment vergessen!

person holding belly photo
Photo by Suhyeon Choi / Unsplash

Maria, so erzählt die Bibel, hatte eine Begegnung mit einem Engel.
Sie war eine gewöhnliche Frau, eine junge Frau. Sie war vielleicht 18 Jahre alt, denn damals heiratete eine Frau sehr jung. Und sie war verlobt mit einem tollen Mann namens Josef.
Doch dann war diese Begegnung mit dem Engel. Immer und immer wieder gingen ihr die Worte durch den Kopf, als sie sich dem ruhig daliegenden Dorf näherten. Über der Hügelkuppe war bereits ein erster Stern aufgegangen.

"Sei gegrüßt, Maria! Der Herr ist mit dir! Er hat dich unter allen Frauen auserwählt." Das waren die Worte des Engels gewesen. Maria konnte noch heute den Schrecken in ihrem Körper nachempfinden, den sie gefühlt hatte, als der Engel zu ihr kam. "Hab keine Angst, Maria", hatte der Engel weiter gesprochen. "Gott hat dich zu etwas Besonderem auserwählt. Du wirst schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen. Jesus soll er heißen. Er wird mächtig sein, und man wird ihn Sohn des Höchsten nennen. Gott, der Herr, wird ihm die Königsherrschaft seines Stammvaters David übergeben, und er wird die Nachkommen von Jakob für immer regieren. Seine Herrschaft wird niemals enden."

Immer und immer wieder gingen Maria diese Worte durch den Kopf. Was nur hatte das alles zu bedeuten?

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Photo by Majid Sadr / Unsplash

Die folgenden Zitate stammen aus dem Lied "Mary did you know". Das Lied wurde von Mark Lowry geschrieben und von Buddy Greene vertont. Am besten gefällt mir die Version, die von der Band "Pentatonix" gesungen wird. Ich habe es frei auf Deutsch übersetzt.

Mary did you know that your baby boy would one day walk on water?
Mary did you know that your baby boy would save our sons and daughters?
Did you know that your baby boy has come to make you new?
This child that you've delivered, will soon deliver you.

Maria, wusstest du, dass dieses kleine Baby eines Tages auf Wasser wandeln wird?
Maria, wusstest du, dass dein kleiner Sohn unsere Söhne und Töchter retten wird?
Maria, wusstest du, dass dein Baby gekommen ist, um dich zu erneuern?
Dieses Kind, dem du das Leben schenkst, wird dir neues Leben schenken.

Was wusste Maria, als sie auf dem Esel nach Betlehem ritt? Was für Gedanken schossen ihr durch den Kopf, als die Wehen einsetzten? Was geschah in ihrem Herzen, als sie das kleine, hilflose Baby in ihre Arme schloss? Was fühlte sie, als sie sein süsses Gesicht zum ersten Mal küsste?

Mary did you know that your baby boy will give sight to a blind man?
Mary did you know that your baby boy will calm a storm with his hand?
Did you know that your baby boy has walked where angels trod?
When you kiss your little baby, you kiss the face of God.

Maria, wusstest du, dass dein kleiner Sohn einem blinden Mann das Augenlicht zurückgeben wird?
Maria, wusstest du, dass dieses Baby einen heftigen Sturm mit blosser Hand beruhigen wird?
Wusstest du, dass dein kleiner Sohn von dort kommt, wo Engel aus und eingehen?
Wenn du dein kleines Baby küsst, küsst du das Angesicht Gottes.

Das Angesicht Gottes küssen! Was für ein Gedanke!

Mein kleiner Sohn ist gerade fünf Monate alt. Er ist süss! Er lacht viel und plaudert den ganzen Tag in seiner Babysprache. Manchmal kann ich kaum aufhören, sein Gesicht zu küssen. Er reagiert auf die Stimme seines Vaters mit lautem Quietschen, wenn er nach Hause kommt.
Doch er ist so hilflos. Er ist ganz und gar von mir abhängig. Er ist darauf angewiesen, in meinen Armen zu liegen. Er braucht meine Liebe und meine Nähe. Er ist mir anbefohlen und ganz ausgeliefert.

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Photo by Oleg Sergeichik / Unsplash

Gott wurde Mensch. Dieser Sohn, den Maria gebar, war Gottes Sohn. Jesus. Er kam nicht als Machthaber oder als ein befehlender Gott auf diese Welt.
Er kam in der Gestalt eines kleinen, hilflosen Babys. Er entschied sich, alles zu durchleben, was wir Menschen durchleben. Er kam auf unsere Augenhöhe.

Bestimmt musste es Maria verwirrt haben. Der Engel hatte einen Sohn angekündigt, "dessen Herrschaft nie enden wird". Doch was geschah mit dem kleinen Jungen, den sie dort in Betlehem nach der langen Reise zur Welt gebracht hatte?

Er war so anders, als die Menschen ihn erwartet hatten.
Er hatte keine politischen Ambitionen.
Er durchbrach die gesellschaftlichen Normen.
Er ass mit geldgierigen Betrügern.
Er gab sich mit Menschen ab, die mit Religion nichts am Hut hatten. Prostituierte und andere Menschen am Rand der Gesellschaft fühlten sich zu ihm hingezogen.
Anstatt Frieden gab es Unruhe.
Anstatt zu herrschen, diente er den Menschen.
Anstatt in Ewigkeit zu regieren, starb er mit etwas über dreissig Jahren.

Hatte der Engel gelogen?
Was für einen Schmerz musste Maria gefühlt haben, als sie diesen einzigartigen Sohn am Kreuz hängen sah! Er, der niemandem etwas zuleide getan hatte, starb wie ein Verbrecher.

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Jesus brachte wirklich Befreiung, Herrschaft und Friede.
Aber nicht äusserlich, sondern geistlich - das heisst, im Innern.

Er brachte Befreiung. Aber nicht eine Befreiung von äusserlichen, finanziellen Lebensnöten oder von Alltagsproblemen. Er brachte Freiheit von unseren inneren Nöten. Wie ich an Schwierigkeiten herangehe. Wie ich mit Enttäuschung umgehe. Er hat die Zusage gemacht, dass, wenn wir ihn lieben, uns alles zum Guten dienen wird.

Er brachte Herrschaft. Doch sein Reich ist ein unsichtbares Reich. Er regiert im Innern der Menschen, das heisst, in ihren Herzen. Wenn wir Jesus als Herrn annehmen und ihm folgen, wird uns sein gerechtes Leben angerechnet, stellvertretend. Und wir dürfen dann zu Gottes Familie gehören.

Er brachte Frieden. Nicht dass wir keinen Streit mehr hätten. Er brachte Versöhnung mit Gott, weil Jesus alles auf sich nahm, was uns trennt. Das gibt inneren Frieden. Diese Versöhnung macht uns fähig, auch anderen zu vergeben und Friedensstifter zu sein.

Das Angesicht Gottes - es ist nicht weit entfernt! Die Befreiung des Herzens ist möglich. Zu Gottes Familie zu gehören ist nicht schwierig. Der Friede im Innern ist eine Realität. Für jeden zugänglich. Jederzeit.

Gott ist nicht weit weg. Er ist nur ein Gebet von dir entfernt.
Ich möchte dich ermutigen, diese Weihnachtszeit zu nützen, um mit ihm zu sprechen.

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Photo by David Beale / Unsplash

Ursi Gasser

Ursi Gasser

Frau, Ehefrau, Familienfrau, Pflegefachfrau mit Weiterbildung auf Intensivpflege, freischaffende Journalistin

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