Wir Menschen sind Beziehungswesen. Das Gefühl der Zugehörigkeit gehört genauso zu unseren Grundbedürfnissen wie Essen und Schlafen. Der nächste Frauentag steht deshalb unter dem Titel «Dazugehören – von der Suche nach Gemeinschaft, die trägt».
Meine Teenager-Jahre fanden in den 1980er Jahren statt. Noch heute hüpft mein Herz, wenn ich einen meiner Lieblingssongs aus dieser Zeit höre: Die englische Rockband The Police spielte «Message in a bottle» erstmals 1979 und noch jetzt bringt der gitarrenlastige Sound mich zum Tanzen und Mitsingen. Sting komponierte den Song und erzählt darin die Geschichte eines Gestrandeten, der in seiner verzweifelten Einsamkeit eine Flaschenpost ins Meer wirft in der Hoffnung auf Rettung und Liebe, auf ein menschliches Echo. Als er eines Morgens erwacht, findet er 100 Millionen Flaschen am Strand, losgeschickt von Menschen, denen es gleich ergeht wie ihm. Er singt: «It seems I’m not alone in being alone – Es scheint, ich bin nicht allein mit meiner Einsamkeit». Der Song drückte aus, was mein Teenagerherz empfand und machte mir Hoffnung, dass es jemanden gab, der mich verstehen würde.
Dazugehören macht Mut
Der Mensch ist ein Beziehungswesen. Eines seiner tiefsten Bedürfnisse ist das Gefühl, dass er akzeptiert und gebraucht wird und mit anderen verbunden ist. Man nennt dieses Gefühl „Zugehörigkeitsgefühl“. Im Idealfall erleben wir diese Zugehörigkeit in unserer Familie, in der Schulklasse, am Arbeitsplatz und im erweiterten sozialen Umfeld.
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Der Individualpsychologe Theo Schoenaker beschreibt die Auswirkungen eines gestärkten Zugehörigkeitsgefühls:
Wer sich zugehörig fühlt, findet den Mut sein Potenzial einzusetzen.
Wenn uns das Zugehörigkeitsgefühl verloren geht, erleben wir die anderen als distanziert, wir fühlen uns entfremdet und unglücklich. Wenn wir erleben, dass wir dazugehören, sehen wir uns selbst als gleichwertige Partner. Wir sehen uns selbst als wertvoll und bedeutungsvoll und wissen, dass es gut ist, dass es uns gibt. Wir erleben andere als unterstützend und als eine Einladung, beizutragen. Wenn wir spüren, dass wir dazugehören, sind wir kreativ und kooperativ.
Rahel Sondheimer ist gelernte Floristin, hat Theologie studiert mit dem Schwerpunkt Seelsorge, ist individualpsychologische Beraterin, Erwachsenenbildnerin und Geschäftsführerin der Praxis Mittelpunkt. Sie wird uns einen Einblick in dieses Grundbedürfnis des Menschen geben und aus ihrer eigenen Lebenserfahrung erzählen.
Dazugehören um jeden Preis?
In Asien lernten wir Menschen kennen, die als Kinder in armen Verhältnissen aufgewachsen waren und denen das Zugehörigkeitsgefühl zu ihrer Familie abhandengekommen war, weil ihre berufstätigen oder suchtkranken Eltern sich kaum um sie kümmerten. Auf den Spielplätzen und Innenhöfen ihres Wohnquartiers wurden sie von kriminellen Bandenmitgliedern angesprochen und rekrutiert. In den chinesischen Triaden erlebten sie eine Zugehörigkeit, die zumindest für einige Zeit die Einsamkeit vertrieb. Aber der Preis für diese Zugehörigkeit war hoch, zu hoch. Was mit kleineren Straftaten begann, endete oft in der Drogensucht und im Gefängnis.
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Vor Kurzem berichtete das Migros Magazin in einem längeren Dossier über Frauen, die als Kinder und Jugendliche unter Mobbing gelitten haben. Der Mangel an Zugehörigkeit hatte für sie prägende Auswirkungen; einige von ihnen leiden noch heute darunter. Andere konnten ihre schmerzliche Erfahrung nutzen und sind offene, anteilnehmende und tolerante Menschen geworden. Im Artikel kommen auch Menschen zu Wort, die früher andere gemobbt haben. Rückblickend gesteht die ehemalige Klassenkameradin eines Mobbing-Opfers: «Es sind keine Erinnerungen, die Stolz in mir wecken, denn im Grunde ist doch der Mensch, der gegen den Strom schwimmt der wirkliche Held, nicht der, der mit der Gruppe geht und andere mobbt.»
Menschen werden, die Zugehörigkeit verschenken
In einer Welt, in der Entfremdung, Polarisierung und Einsamkeit zunimmt, möchte ich eine Frau sein, die Zugehörigkeit verschenkt. Dabei kann ich mich an verschiedenen Vorbildern orientieren. Chris Merk, die sich seit vielen Jahren für Waisenkinder in Sambia einsetzt, wird am Frauentag erzählen, wie ihre eigene Lebensgeschichte zum Trittstein wurde für ihr heutiges Engagement.
Eva Londino fand gemeinsam mit ihrem Mann Pietro den Mut, trotz Sehbehinderung zwei Waisenmädchen aus Sambia als ihre Töchter zu adoptieren. Auch sie wird uns über ihren Weg bis zur Familiengründung berichten.
Immer wieder bewundere ich auch die Menschenkenntnis und die Unbestechlichkeit von Jesus. Er war immer umgeben von Menschen. Er kombinierte Liebe und Annahme mit Wahrheit und Klarheit. Er wurde geliebt und gehasst. Und immer blieb er sich selbst treu. Nie hat er sich verbogen, um den Menschen zu gefallen, um Leid zu vermeiden. Er hatte ein in ihm wohnendes Zugehörigkeitsgefühl, das ihn befähigte, mit den Menschen verbunden zu sein, Zugehörigkeit zu verschenken, aber auch Kritik, Hass und Ablehnung auszuhalten, wenn es nötig war.
Die Sozialwissenschafterin Brené Brown schreibt:
Wie kommen wir an den Punkt, an dem wir Zugehörigkeit in unseren Herzen tragen, an dem sie nicht eine Belohnung ist für Perfektion, Gefälligkeit, Sich-Beweisen-Müssen oder Schauspielerei oder etwas, mit dem uns andere unter Druck setzen oder das sie uns wieder wegnehmen können?
Am Frauentag wollen wir entdecken, wie wir Frauen werden können, die mit diesem mutmachenden Zugehörigkeitsgefühl durchs Leben gehen. Wir wollen uns Gedanken machen, wie wir Frauen sein können, die es anderen Menschen leicht machen, dazuzugehören.
Facts:
Datum: 25. Mai 2019 | 9:30 bis 15:30 Uhr
Ort: FCT Church, Bahnhofstrasse 28, 8307 Effretikon
Kosten: CHF 30 pro Person
Anmeldung: via Einzahlung auf folgendes Konto: IBAN: CH51 0078 4010 5361 9200 1
Empfänger: FCTchurch, 8274 Tägerwilen – Vermerk: Frauentag 19
Die Teilnehmerinnenzahl ist beschränkt.
Anmeldeschluss: 15. Mai 2019
Organisation: Der Frauentag wird von der reformierten Freikirche FCTchurch durchgeführt. Hauptorganisatorin ist Katrin Carrel
Flyer HIER herunterladen.

