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Ein Platz an der Sonne

Joanna Hunziker-Merk Joanna Hunziker-Merk

Immer mal wieder im Garten zu sein, giessen und jäten ist Entspannung und es lässt mich über vieles nachdenken oder auch abschalten. Ein kurzes Timeout im turbulenten Alltag. Wenn mir dann noch die Morgen- oder Abendsonne ins Gesicht scheint, dann ist das ein Glücksmoment. Ich mag den Platz an der Sonne.

#repost: Dieser Artikel wurde am 30. August 2018 erstmals veröffentlicht.

Ich mag meinen Garten, besonders mein Hortensienbeet, nur sie mögen ihren Platz an der Sonne nicht. Mein Mann möchte sie schon lange umpflanzen, alle rausreissen doch ich sage: "Nein! Ich mag sie und ich mag sie genau an diesem Ort in unserem Garten." Doch der Schatten fehlt, sie haben zu wenig Erde und zu wenig Wasser. Beim Abschneiden der vertrockneten Blüten muss ich mir dann doch ehrlich die Frage stellen: Sind sie vielleicht wirklich nicht am richtigen Ort? Und hätte ich sie mehr giessen müssen? Doch gleich kommt mir das Argument in den Sinn, dass es einfach viel zu heiss und trocken war diesen Sommer. Hätte es mehr geregnet, wäre es ab und zu bewölkt gewesen... Argumente oder Ausreden, damit ich nichts verändern muss?

Wir alle haben unseren Platz in der Gesellschaft, in der Familie, im Alltag. Wir werden über unsere Leistung definiert, wir suchen die Sonnenseiten des Lebens, Schattenseiten meiden wir. Aber ist Schatten denn etwas Schlechtes? Du gehst sicherlich mit mir einig, dass in diesem Hitzesommer der Schatten goldwert war!

mother & daughter
Photo by tam wai / Unsplash

Unlängst erkundigte sich ein alter Freund von meinem Mann über unseren behinderten Sohn und fragte: "Wird das denn mal gut?" Ich dachte, was für eine komische Frage und schüttelte innerlich den Kopf. Eine Antwort gab ich keine, es war weder die Zeit, noch der Ort, um wirklich darüber zu sprechen. Zudem hatten wir ein Eis in der Hand und wollten noch andere alte Bekannte begrüssen. Da passt Smalltalk besser. Und doch kommt mir die Frage immer mal wieder in den Sinn. Was ist denn "gut"? Wenn sich die Probleme in Luft auflösen? Oder wenn ich mich so sehr daran gewöhnt habe, dass sie normal und alltäglich sind? Sind Herausforderungen die Schattenseiten des Lebens?

Die Bibel sagt, dass Gott einen Platz für dich hat, nämlich in der persönlichen Beziehung zum liebenden Vater und in der Gemeinschaft mit anderen Gläubigen, in der Gemeinde. Darüber reden wir gerade in der Predigtserie am Sonntagmorgen.
Ich stelle mir immer wieder die Frage, ob ich meinen Platz auch einnehme. Wo mein Platz ist, das weiss ich. Immerhin, das ist ein Anfang. Doch nehme ich ihn auch ein? Gott hat mich in verschiedene, herausfordernde Situationen hineingestellt, ein Ende ist keines in Sicht und gut fühlt es sich nicht immer an. Die Herausforderungen überschatten mein Leben immer wieder. Da bin ich lieber an einem Platz in der Sonne. Sonne tanken, Licht tanken, Wärme tanken. Aber der Sommer neigt sich dem Ende zu und was mache ich dann, wenn die Sonne nicht mehr scheint?

Gut zu wissen, dass die Sonne immer scheint, ich nur nicht immer an meinem Platz in der Sonne bin. Habe ich auch innerlich diese Gewissheit, dass Gott immer bei mir ist? Oder laufe ich vor ihm davon? Suche ich wo anders diesen Ort, wo alles "gut" ist? Flüchte ich mich an einen Schattenplatz und suche den kühlen, dunklen, einsamen Ort?
Ich habe mich entschieden, immer wieder Gottes Nähe zu suchen, seine Gegenwart, weil es der Ort ist, der wirklich gut ist für mich!


Photo by Peter Keller / Unsplash

Heute beim Gärtnern sahen die Hortensien noch immer elend aus, hingegen die Trauben am Rebstock, welchen wir zur Ordination und Einsetzung als Gemeindeleiter im Januar 2015 bekommen haben, diese Trauben sind süss und es gibt viele davon. Dieser Rebstock steht definitiv am richtigen Ort, an der Hauswand, mit Morgensonne, windgeschützt und sie bringt Frucht, viel Frucht. Machen muss ich da nichts, ausser ernten und sie dann wieder zurückschneiden.

Im Johannesevangelium Kapitel 15 steht diese bekannte Bibelstelle, wo Jesus uns mit den Reben am Weinstock vergleicht. Er sagt: Bleibt nahe bei mir, dann werdet ihr Frucht bringen, Gutes bewirken können. Nicht als Eigenleistung, sondern weil wir am richtigen Platz sind, weil wir nahe bei Gott sind und er es in uns bewirkt. Er sagt nicht, sucht euch den Platz in der Sonne, es wird in eurem Leben nur Sonnenschein geben, nein. Er sagt, nimm deinen Platz ein, bleib nah bei mir und ich werde für dich sorgen.

Meine Hortensien sind wunderschön, doch sie sind am falschen Platz. Dort kommen sie nicht zur Geltung, können ihre Schönheit nicht entfalten, sie vertrocknen. Da muss ich meinem Mann recht geben. Ob und wann wir sie umpflanzen, das weiss ich nicht. Veränderung ist immer mit Arbeit verbunden, sowohl im Garten wie auch in unserem Leben.
shadow depth of field photography of hydrangeas flowers
Photo by Simone Dalmeri / Unsplash

Ich habe angefangen, ein neues Hortensienbeet zu bepflanzen, diesmal im Halbschatten und obwohl es noch viel kleiner ist als das Ursprüngliche – die Hortensien blühen und vertrocknen dort nicht und bereiten mir Freude!


Photo by Hédi Benyounes / Unsplash

Neue Wege zu gehen, braucht Mut. Dingen ins Auge zu schauen, braucht Kraft. Gewohnheiten zu verändern, braucht Biss. Aber es lohnt sich!

Gott möchte dir Gelingen schenken, er hat einen Platz für dich, ob an der Sonne, im Halbschatten oder im Schatten, es ist ein guter Platz! Denn es gibt weder besser noch weniger wert, bei Gott zählst du als Mensch, so wie er dich erschaffen hat. Nimm deinen Platz ein, blieb nahe bei ihm, lass ihn an dein Herz und lass Veränderung zu, wo Gott sie für nötig hält!

Ein Platz an der Sonne
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