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Die Kunst der Namen

Emanuel Hunziker Emanuel Hunziker

Namen geben Identität und schaffen Klarheit. Manchmal auch Verwirrung. Letzteres ist ein Problem. Wir müssen über Namen reden.

Zwei Fussballclubs im Dorf?

"Warum braucht Tägerwilen zwei Fussball-Clubs? Einer würde doch vollkommen genügen!", dachte sich der damalige Tägerwiler Gemeindepräsident Markus Thalmann etwas verärgert, als er zum ersten Mal von FCT hörte. "Ich war sehr erleichtert, als ich feststellte, dass FCT eine Kirche ist!" berichtete Thalmann im Januar 2016 bei der Eröffnungsfeier des neuen Saals im Zecchinel-Zentrum und fügt an, "insbesondere nachdem ich jahrelang ein offenes Dossier auf meinem Pult liegen hatte, bzgl. der Umnutzung eines Pferdestalls als Versammlungsraum an der Oberdorfstrasse!" Jahrelang fand dort jeden Sonntag Abend von 19-21 Uhr der "Stall-Gottesdienst" statt, mit viel Gebet und Gesang. Dort liegen auch die Wurzeln von FCT.

Als es in den 90ern gang und gäbe wurde, eine Internetseite mit passender Domain zu erstellen, kaufte sich Heiner Merk die domain fct.ch für seine Firma. Die Buchstaben standen für "Fahrsport – Coaching – Teaching". Als langjähriger Fahrsport-Athlet und Trainer coachte er viele Sportler. Seine Frau Christine, geborene Engländerin – war lange als Englisch-Lehrerin tätig.

Von Christuszentrum zu FCT

Nachdem Heiner & Chris Merk zu einem lebendigen Glauben an Jesus Christus fanden, übernahmen sie bald einmal die Leitung des Christuszentrums Romanshorn, einer Pfingstgemeinde. Als Regionalleiter der nationalen Pfingstbewegung wurde Heiner von anderen Pfingstkirchen um Hilfe gebeten. So schlossen sich in den Nullerjahren die Gemeinden in Schönenberg a.d. Thur, Münchwilen und Effretikon mit Romanshorn zusammen. Im Verlaufe dieser Zeit wurde den Buchstaben FCT eine neue Bedeutung gegeben: For Christ Totally – Für Christus Total. Ausdruck eines Lebensstils, der ganz auf die Nachfolge von Jesus ausgerichtet ist.

Das Christuszentrum Romanshorn wurde in diesem Zuge in FCT-Christuszentrum umbenannt. Mit dem Zusammenschluss aller Kirchenvereine zu einem Verein, änderten auch die anderen Standorte ihren Namen. Im Sinne einer Corporate Identity benannte man den Missionsverein FCT-Relief, das Brockenhaus FCT-Warehouse, die Immobiliengenossenschaft FCT-Estates, die Handelsfirma FCT-ConnexAG, der Künstlerförderungs-Verein FCT-Media, der KITA-Betriebsverein FCT-Community...

FCT-Christuszentrum ist ein langer Name für eine Kirche und bedeutet ausformuliert "Für Christus Total Christuszentrum". Zwei Christusse ist einer zu viel. Darum haben wir den Namen 2015 in "FCT Church" geändert, zusammen mit einem neuen Schrift-Design. Wir sind ganz gut damit gefahren. Trotzdem gab und gibt es immer wieder Verwirrungen, wenn ich den Namen FCT Church erwähne. "FCT tsch... was? Ach so, ihr seid eine Kirche. Ich kenne auch jemanden, der bei euch ist..." Es stellt sich dann eine Verwechslung mit einer FEG heraus, einer Freien Evangelischen Gemeinde. Oder mit einer FCG, einer Freien Christengemeinde.

Wie weiter? Die Verwirrungen aushalten? Oder mutig einen weiteren Namenswechsel aufgleisen? Ich bin für Letzteres, aus verschiedenen Gründen. Aber mal schön der Reihe nach.

Florida Artist RhondaK paintbrushes drying. She uses colorful paint in her works on mermaids, manatees, crabs, palm trees, and more. RhondaK.art
Photo by RhondaK Native Florida Folk Artist / Unsplash

Wozu ein Name?

Die entscheidende Frage lautet: Brauchen wir überhaupt einen Namen? Und wenn ja, wozu? Welchem Zweck soll ein Name dienen? Was sind die Kriterien für einen Namen? Nun, es steht in der Bibel nirgends geschrieben, dass eine lokale Kirche einen Namen braucht. In der Schweiz braucht es aber schon aus rein vereinstechnischen Gründen einen Namen.

Historischer Rückblick

Die ersten Christen nannten sich nicht selbst so. Der wortwörtliche Name "Christianer" wurde ihnen von aussen gegeben (Apg 11,26). Der Kontext war meist negativ belastet (Apg 26,28). Als "Christ" bezeichnet zu werden bedeutete Ausgrenzung und Verfolgung (1.Petrus 4,16).

Die heutige katholische Kirche heisst so, weil katholisch = universal bedeutet, also die universale Kirche. Diese Kirche teilte sich 1000 n.Chr. in die Ost- und Westkirche. Seit der Reformation ab 1500 n.Chr. gibt es im Westen auch die reformierte resp. evangelische Kirche.

Aus verschiedenen Erweckungen des Geistes entstanden danach immer wieder neue Bewegungen, die teils unter massiver Verfolgung der Staatskirchen litten. Man denke an die Täuferbewegung, die kurz nach der Reformation in der Schweiz aufbrach und von denen viele nach Amerika flüchteten, um gemäss ihrer inneren Überzeugung zu leben. Viele dieser Bewegungen tragen einen Namen, der für ihren Inhalt steht. Die Täufer, Baptisten, Methodisten, Heilsarmee, Pilgermission St. Chrischona, Pfingstmission... Diese Namen wurden ihnen teils auch "spöttisch" oder "verächtlich" von aussen gegeben (z.B. Methodisten, Wiedertäufer). Andere wählten ihren Namen selbstbewusst, wie die Heilsarmee oder die schweizerische Pfingstmission. Bei Letzterer taten sich die kleinen Pfingst-Versammlungen aus der Schweiz zusammen, um Missionare auszusenden.

Kriterien für einen Namen

Ein Name dient einerseits der Identifikation nach innen, für die Mitglieder, aber in unserer nach-christlichen Zeit gerade so sehr, wenn nicht hauptsächlich, nach aussen. Die Kriterien, nach welchen man einen Namen wählt, ändern sich auch über die Zeit hinweg. Eine weitere Frage lautet: Darf man einen Namen im Nachhinein wieder ändern? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, nach welchen Kriterien?

Viele Kirchengebäude – und mit ihnen auch die Kirchgemeinden – sind nach Heiligen benannt: St. Stefans Kirche, St. Katharina Kapelle. Der Name St. Chrischona beruht auf einer Legende von Märtyrerinnen. Der Name Pfingstgemeinde stammt aus einer Zeit, in der die Pfingstler zu den ganz wenigen gehörten, die das Wirken des Heiligen Geistes auch heute noch für real hielten und dem Wirken des Geistes Raum gaben in ihren Versammlungen. Dem ist längst nicht mehr so. Bei einigen Pfingstgemeinden besagt der Name nur noch, woher sie kommen, aber nicht, wo sie heute stehen, oder wohin sie gehen. Dafür gibt es geistliche Aufbrüche in evangelikalen Freikirchen, der katholischen Kirche (Charismatische Erneuerungsbewegung - siehe Gebetshaus Augsburg, Johannes Hartl) und auch einigen Landeskirchen. Gott ist ein Gott, der mit Einzelnen startet, aber immer mit dem Ziel, sein ganzes Volk in sein jetziges Tun einzubeziehen.

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Photo by russn_fckr / Unsplash

Die Krux der Kürzel

Und nun komme ich elender Pastor einmal mehr daher getorkelt, mit nochmals einem neuen Namen. Manche mögen laut zu Gott beten "Maranatha - Herr, komm bald! Erlöse uns von dem Bösen!" Meine Überlegungen kommen aber nicht aus einer Laune, sondern aus gründlicher Reflexion. Der Name FCT ist aus den Erfahrungen der letzten Jahre v.a. gegen aussen sehr verwirrend. Fussball Club Tägerwilen? Eine politische Partei? Viele verwechseln uns mit der FEG oder FCG. Ich muss dann jeweils erklären, dass wir eine Kirche sind, weil viele auch das Wort CHURCH nicht verstehen. Auch das Wort Freikirche ist ein Stolperstein, der Fragezeichen hevorruft. Ich suchte also nach einem Namen, der von Anfang an klar macht, dass wir eine Kirche sind. Denn auch das Wort "Gemeinde", das den gemeinschaftlichen Aspekt der Kirche betont, bringt immer wieder Verwirrung mit dem Begriff der Munizipal-Gemeinde.

KIRCHE

Die "Christus Gemeinde Wupperthal" von Friedhelm Holthuis änderte ihren Namen 2018 in "CREDO KRICHE", ein lateinisches Wort (CREDO = Ich glaube). Chrischona nennt sich nun VIVA KIRCHE, auch lateinisch (VIVA = LEBEN) und verständlich in allen 4 Landessprachen. Es sind kurze und schnell erfassbare Begriffe. Beide haben sich bewusst für die Bezeichnung KIRCHE und gegen die Begriffe GEMEINDE oder FREIKIRCHE oder MISSION in ihren Namen entschieden, weil in einer zunehmend säkularen, postchristlichen Zeit das Wort KIRCHE klar macht, dass es in irgendeiner Form um den christlichen Glauben geht. Es ist auch ein Statement dazu, dass wir uns nicht absondern von anderen Kirchen, sondern uns solidarisieren mit allen, die noch Kirche sein wollen. Darin sehe ich auch das Wirken Gottes, denn er hat nur eine Braut, kein Harem aus Denominationen. Es geht also um ein Statement nach aussen für die Gesellschaft.

Wieso KALEO?

Nach intensivstem Brainstorming blieb ich beim Wort Kaleo hängen. Das Wort kannte ich bislang nur im Zusammenhang mit der gleichnamigen Musikgruppe aus Island. Dann fand ich heraus, dass Kaleo auch ein hawaianischer Name ist und "der Klang" bedeutet. Nach weiterer Recherche fand ich heraus, dass es auch ein griechisches Wort ist. Ein altgriechisches, genauer gesagt. Und es kommt sogar in der Bibel vor, und das nicht selten!

Wie CREDO oder VIVA ist auch KALEO ein kurzes Wort. Es hat durch die 3 Umlaute A, E und O einen „schönen“ Klang beim Aussprechen. Das war ein entscheidendes Kriterium bei der Suche und Wahl. Zudem sollte es im deutschen Sprachgebrauch nicht abgegriffen sein. Es lässt sich ausserdem in Schweizer Dialekt (Kaleo Chilä), Hochdeutsch (Kaleo Kirche) und Englisch (Kaleo Church) problemlos aussprechen. Die Wort-Kombination KALEO KIRCHE macht von Anfang deutlich: Wir sind eine KIRCHE.

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KALEO in der Bibel

Der altgriechische Begriff "kaleo" kommt laut der Konkordanz der Elberfelder Bibel 148 Mal im neuen Testament vor, mit neun unterschiedlichen Wortübersetzungen, je nach Kontext:

  1. nennen (59x): Siehe, du wirst im Leib empfangen und einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Jesus nennen (Lukas 1,31).
  2. berufen (34x): Gott ist treu, durch den ihr berufen worden seid in die Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn (1.Korinther 1,9).
  3. rufen (17x): Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder zur Buße (Lukas 5,32).
  4. heissen (16x): Seht, welch eine Liebe uns der Vater gegeben hat, dass wir Kinder Gottes heißen sollen (1. Johannes 3,1).
  5. laden (12x): So geht nun hin auf die Kreuzwege der Landstraßen, und so viele irgend ihr findet, ladet zur Hochzeit (Matthäus 22,9).
  6. Geladene (5x): Und er sandte seine Knechte aus, die Geladenen zur Hochzeit zu rufen; und sie wollten nicht kommen (Matthäus 22,3)
  7. einladen (2x): Ein gewisser Mensch machte ein großes Gastmahl und lud viele ein (Lukas 14,16).
  8. Name (2x): Und siehe, da war ein Mann, mit Namen Zachäus (Lukas 19,2).
  9. tragen (1x): Und sie sprachen zu ihr: Niemand ist aus deiner Verwandtschaft, der diesen Namen trägt (Lukas 1,61).

Gott geht mit uns weiter

Ein weiterer Grund ist der momentane Reformprozess und die damit zu Ende gehende FCT-Phase, für die ich Gott von Herzen dankbar bin, weil er ganz viel Gnade und Segen schenkte und viele zerbrochene und verletzte Herzen heilte und neue Hoffnung gab. Im FCT-Netzwerk hat Gott viel Gutes bewirkt. Doch nun ruft uns Gott, weiter zu gehen, statt Hütten zu bauen. Eine Epoche geht zu Ende, eine neue beginnt. Ich sehe eine neue, junge Generation, die Gott berühren und für sich haben möchte. Sie brauchen unsere Zeit und Energie braucht, sie brauchen unsere Leben. Es liegt an uns, ihnen Jesus lieb zu machen.

Ich habe in den vergangenen Jahren meine Energie in die Erhaltung und Weiterentwicklung von FCT investiert, um möglichst weiterzuführen, was Heiner Merk mir übergab, im Respekt Gott gegenüber, der die Gnade schenkte. Nun merke ich, dass ich daran zu Grunde gehe, wenn ich FCT als das erhalten will, was es bisher war. Gott geht mit uns weiter und ich spüre Gottes Ruf, die Kirche in die nächste Phase zu führen, die schon begonnen hat.

Darum bin ich meinem inneren Zeugnis gefolgt und habe an der FCT church Mitgliederversammlung im Frühling 2022 den neuen Namen KALEO KIRCHE vorgeschlagen, damit allen klar ist, dass eine neue Zeit anbricht. Ich glaube, es tut uns allen gut unseren Blick nach vorne zu richten. Ein neuer Name allein ändert nichts, das ist mir bewusst. Ich sehe es umgekehrt. Gott hat neues Land für uns parat und ruft uns aus dem altbewährten Terrain ins Neuland. Ich habe mich entschlossen mutig vorwärts zu gehen und mich nicht am Vergangenen festzuklammern. Gottes Zeit ist jetzt. Er hat neues parat.

Die Kunst der Namen
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